I. Abstandsflächen (§ 5)
Durch die Änderung des § 5 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 wird die Berechnung der abstandsflächenrechtlich relevanten Höhe der Giebelfläche deutlich vereinfacht. Die Höhe der Giebelfläche ist künftig in allen Fällen, also auch bei Tonnen- oder anderen unregelmäßigen Dächern (s. Abb.), einheitlich nur noch zu einem Viertel auf die Wandhöhe, nach der sich die Abstandsflächentiefe bemisst, anzurechnen. Dabei beginnt die Giebelfläche wie bisher an der Horizontalen durch den untersten Schnittpunkt der Wand mit der Dachhaut.
Durch die Regelung wird die Aufstockung „rechtmäßig bestehender Gebäude“ um bis zu zwei Geschosse bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen nicht auf die Wandfläche angerechnet.
Diese Begrenzung auf „rechtmäßig bestehende Gebäude“ bedeutet, dass die abstandsflächenrechtliche Situation des Gebäudes vom Bestandsschutz umfasst sein muss. Hierfür reicht insbesondere der formelle Bestandsschutz einer Baugenehmigung, auch dann, wenn dort die gesetzlich vorgegebenen Abstände nicht eingehalten wurden (z.B. aufgrund einer erteilten Abweichung, einer Baulastübernahme oder durch fehlerhafte Rechtsanwendung). Es reicht aber auch (insbesondere bei Gebäuden im Kenntnisgabeverfahren) ein materieller Bestandsschutz aus (zu den Begrifflichkeiten s. Abschnitt XVII).
Generell nicht in den Anwendungsbereich des § 5 Abs. 5 S. 2 Nr. 1 fällt die Aufstockung grenzständiger Gebäude. Die Regelung betrifft nämlich die Bemessung der Wandhöhe, die nur bei der Frage der Tiefe der Abstandsfläche von Bedeutung ist, dagegen für die Frage, ob überhaupt an die Grenze gebaut werden darf, unerheblich ist (vgl. VGH BW Urteil vom 13. November 2023 – 14 S 1161/2).
Dass die Begünstigung von Aufstockungen bei der Wandhöhe bei abstandsflächenrechtlich privilegierten Bauten, die an der Grenze (oder unter Unterschreitung der gesetzlichen Abstandstiefen in Grenznähe) stehen, nicht gilt, ergibt sich nun auch ausdrücklich aus § 6 Abs. 1 S. 2 Hs. 2.
In den übrigen Fällen, in denen ein Gebäude rechtmäßig an der Grenze steht (z.B. § 5 Abs. 1), bedarf es für die Zulässigkeit einer Aufstockung aber ohnehin nicht des Rückgriffs auf die Aufstockungsregelung.
Nach der Neufassung der Regelung ist die Aufstockung sowie die Errichtung von Dachgauben und Zwerchgiebeln nur dann nicht auf die Wandhöhe anzurechnen, wenn sie „in den durch die Außenwände vorgegebenen Grenzen“ erfolgen. Mit dieser Erweiterung des Wortlauts ist klargestellt, dass auskragende Aufstockungen, deren Abmessungen in der Fläche die des darunterliegenden Geschosses überschreiten, ebenso wenig abstandflächenrechtlich begünstigt werden wie Dachgauben und Zwerchgiebel, die über die Außenwände hinausgehen.
Nach der Regelung wird das Anbringen oder Aufstellen von Anlagen zur photovoltaischen oder thermischen Solarnutzung auf Dächern bis zu einer Anlagenhöhe von 1,5 m bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen nicht auf die Wandfläche angerechnet. Daher können solche Anlagen künftig ohne Einhaltung eigener Abstandsflächen insbesondere auf abstandflächenrechtlich privilegierten Grenzbauten unter Ausnutzung der gesamten Dachfläche bis an den äußeren Rand der Außenwände errichtet werden (s. Abb.). Die Anwendung der Vorschrift bei solchen privilegierten Grenzbauten sieht § 6 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 auch ausdrücklich vor.
II. Abstandsflächen in Sonderfällen (§ 6)
Die Regelung stellt nunmehr klar, dass eine Nutzung der Dachfläche einer Garage, eines Gewächshauses oder eines Gebäudes ohne Aufenthaltsräume „zu anderen Zwecken“ nicht dazu führt, dass die abstandsflächenrechtliche Privilegierung als Grenzbau verloren geht. Solche „anderen Zwecke“ sind insbesondere die Nutzung der Dachfläche als Dachterrasse, zum Abstellen haustechnischer Anlagen oder für Solaranlagen.
Einen weiteren Regelungsinhalt hat die Regelung nicht. Anlagen auf der Dachfläche müssen daher weiterhin ggf. eigene Abstandsflächentiefen einhalten (z.B. Dachterrassen mit Geländer; nicht aber Solaranlagen bis 1,5 m Höhe, da hier § 5 Abs. 5 S. 2 Nr. 2 greift).
III. Kinderspielplätze
Mit der Änderung besteht erstmals ein Recht des Bauherrn, die Verpflichtung nach § 9 Abs. 2 LBO wahlweise durch Zahlung eines Geldbetrages zu erfüllen. Hierzu legt die Baurechtsbehörde im Benehmen mit der Gemeinde die Höhe des Geldbetrages fest.
Anders als das Einvernehmen erfordert das Benehmen lediglich, dass die für die Entscheidung zuständige Behörde der anderen Behörde Gelegenheit zur Stellungnahme gibt. Sie ist an die Einschätzung der ersuchten Behörde aber nicht gebunden.
Ein Mindest- oder Höchstbetrag ist für die Ablöse gesetzlich nicht vorgeschrieben. Bei der Bemessung des Geldbetrages ist die Baurechtsbehörde aber verfassungsrechtlich an den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) sowie an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebunden. Die Beitragshöhe darf daher nicht willkürlich festgelegt werden, sondern muss eine gewisse Regelhaftigkeit und Nachvollziehbarkeit erkennen lassen. Unter Heranziehung der für die Stellplatzablöse bestehenden Rechtsprechung ist es aufgrund der Ausgleichsfunktion der Ablöse zulässig, sich bei der Bemessung des Geldbetrages an den typischen Herstellungskosten zu orientieren. Ebenfalls können die sich für den Bauherrn ergebenden Kostenersparnisse als Grundlage der Bemessung des Geldbetrages herangezogen werden. Einer gesonderten Vereinbarung zwischen Bauherrn und Baurechtsbehörde bedarf es zur Wirksamkeit der Zahlung des Geldbetrages nicht.
Nach der Regelungssystematik soll dieser Geldbetrag vorrangig für die Errichtung und den Ausbau kommunaler Spielplätze verwendet werden. Sinn und Zweck der Regelung ist es, mit Zunahme der Wohnnutzung auch eine adäquate Bereitstellung von Kinderspielplätzen sicherzustellen. Ausnahmsweise kann der Geldbetrag für die Instandhaltung bestehender Kinderspielplätze verwendet werden. An diese Ausnahme werden keine erhöhten Anforderungen gestellt. Von ihr kann im Einzelfall insbesondere dann Gebrauch gemacht werden, wenn die Errichtung oder Ausweitung bestehender Kinderspielplätze aus strukturellen oder finanziellen Gründen zum Ablösezeitpunkt nicht angezeigt ist. Ob dies der Fall ist, obliegt der Einschätzung der Gemeinde.
IV. Brandschutz (§ 15)
Nutzungseinheiten, die Aufenthaltsräume in einem ebenerdigen Geschoss enthalten, benötigen in diesem Geschoss nur einen Rettungsweg, sofern dieser direkt ins Freie führt. Dies gilt auch für die Geschosse von Nutzungseinheiten, die aufgrund einer Hanglage nur teilweise zu ebener Erde liegen (Hangseite) und dort ein Rettungsweg auf direktem Weg zu ebener Erde ins Freie führt. Für diese Sonderfälle (ebenerdige Lage mit direktem Zugang ins Freie) darf auf den nach § 15 Abs. 3 allgemein erforderlichen 2. Rettungsweg je Nutzungseinheit und Geschoss verzichtet werden. Die Nutzungseinheit darf im jeweiligen Geschoss mehrere Aufenthaltsräume haben und es können auch mehrere Nutzungseinheiten im jeweiligen Geschoss vorhanden sein. Bei mehreren Nutzungseinheiten in diesem Geschoss kann der ebenerdige Rettungsweg über einen gemeinsamen notwendigen Flur direkt ins Freie führen (§ 15 Abs. 3). Der Ausgang ins Freie muss dann nach maximal 35 m erreicht werden können (§ 28a Abs. 2).
V. Brandwände (§ 27c)
Neuer Bezugspunkt für das Erfordernis einer Brandwand als Gebäudeabschlusswand ist die Grundstücksgrenze oder ausschließlich bereits bestehende Gebäude auf demselben Grundstück. Das Brandwanderfordernis in Bezug auf künftig mögliche Gebäude auf demselben Grundstück ist aufgrund einer zum Zeitpunkt der Genehmigung fehlenden Gefahrensituation entfallen. Soll künftig der Abstand zur Grundstücksgrenze zu öffentlichen Flächen (Verkehrs-, Grün- oder Wasserflächen) hin unterschritten werden, sind Abweichungsentscheidungen nach § 56 möglich.
Sofern Brandwände nicht 30 cm über Dach geführt werden, ist die Bedachung im Bereich der Brandwand symmetrisch auf einer Länge von 1 m von außen nach innen raumabschließend in F 90
Dadurch sind Dachkonstruktionen auch aus Holz möglich. In diesen Fällen ist dann eine Brandweiterleitung unter 90 Minuten konstruktiv zu verhindern.
VI. Bestandsschutzregelung
für tragende, aussteifende und raumabschließende Bauteile sowie für Bauteile in Rettungswegen (§§ 27f und 28d)
Im Zuge der Innenverdichtung der Städte und Gemeinden und insbesondere zur politisch priorisierten Wohnraumschaffung soll durch die neuen Bestandsregelungen die Möglichkeit geschaffen werden, schnell, einfach und sicher Nutzungsänderungen und bauliche Veränderungen sowie Dachgeschossausbauten oder Aufstockungen zu Wohnzwecken umsetzen zu können.
§ 27f unterscheidet zwischen Nutzungsänderungen und baulichen Veränderungen innerhalb eines rechtmäßig bestehenden Gebäudes ohne Wechsel der Gebäudeklasse (Abs. 1) und bauliche Veränderungen (Dachgeschossausbauten und Aufstockungen), die zu einer höheren Gebäudeklasse führen würden (Abs. 2 und 3).
Eine Nutzungsänderung oder bauliche Veränderung nach § 27f Abs. 1 setzt voraus, dass dadurch kein Sonderbau nach § 38 entsteht und die
Generalklausel nach § 3 Abs. 1 Satz 1 erfüllt ist. Letzteres gilt u.a. als erfüllt, wenn die Standsicherheit gegeben ist und der vorhandene Brandschutz den Anforderungen an Wohngebäude der Bauzeit des Bestandsgebäudes (ggf. mit seiner Zeit zulässigen Abweichungen) entspricht. Dieser Absatz schützt den Bestand dann, wenn das bestehende Gebäude bereits Anforderungen an zumindest Wohngebäude erfüllt.
Rechtmäßig bestehende Gebäude, die bisher keine Brandschutzanforderungen erfüllen mussten (z.B. Scheunen oder Stallungen im Innenbereich) und jetzt in Wohnraum mit mehr als zwei Nutzungseinheiten umgebaut werden sollen, erfahren nicht die Erleichterungen nach § 27f Abs. 1. Bei diesen Gebäuden liegt die Voraussetzung von "bauzeitlichen Brandschutzanforderungen an Gebäude mit Wohnnutzung" nicht vor. Die Einhaltung der Bedingungen des § 3 Abs. 1 Satz 1, und damit verbunden auch der Brandschutzanforderungen, müssten im Zuge des Umbaus erst geschaffen werden. Dann sind jedoch die Brandschutzanforderungen an Wohngebäude nach heutigem Recht einzuhalten. Dies stellt keine Erleichterung i.S.d. § 27f dar. Scheunen und Stallungen können wie bisher anderweitig trotzdem durch Umbauten anderen Nutzungen zugeführt werden.
§ 27f Abs. 2 behandelt Aufstockungen und Dachgeschossausbauten jeweils zu Wohnzwecken, die zu einer neuen Einstufung des Gebäudes in Gebäudeklasse 4 führen. Unter der Voraussetzung, dass die Bedingungen von Nr. 1 bis 4 des § 27f Abs. 2 erfüllt sind, genügt der Nachweis, dass die Anforderungen an den Feuerwiderstand der tragenden und aussteifenden sowie raumabschließenden Bauteile der bestehenden Gebäudeteile die Anforderungen der Gebäudeklasse 3 erfüllen. Der Neubau hat die Anforderungen der Gebäudeklasse 4 zu erfüllen, sofern es sich nicht um eine Aufstockung um nur ein Geschoss handelt. Sind die genannten Voraussetzungen nicht erfüllt bzw. im Zuge der Sanierung nicht erfüllbar, ist die Erleichterung nach § 27f Abs. 2 nicht anwendbar.
§27f Abs. 3 betrachtet die Dachgeschossausbauten und Aufstockungen (auf maximal 2 Geschosse begrenzt) zu Wohnzwecken, die dadurch erstmalig in die Gebäudeklasse 5 eingestuft werden müssen. Vergleichbare Erleichterungen sind nur für sehr begrenzte Einzelfälle vorgesehen. Der Fall unter Nr. 1 ist nur denkbar, wenn der neu geschaffene Wohnraum eine Nutzungseinheit mit mehr als 400 m² besitzt. Nr. 2 eröffnet den Raum für höhere Gebäude (über 13 m hinaus, jedoch auf maximal 18 m beschränkt und damit unter der Hochhausgrenze).
§28d stellt den Bezug zu § 27f hinsichtlich Nutzungsänderungen und baulicher Anlagen im Bestand in Rettungswegen her. Er bringt keine weiteren Anforderungen.
VII. Notwendige Treppenräume, Ausgänge (§ 28a)
Der Ausgang ins Freie muss nicht zwingend so breit sein wie die zugehörigen notwendigen Treppen, sondern darf eine leicht verminderte Breite aufweisen (§ 28a Abs. 3 S. 2). Hier wird der gängigen Praxis Rechnung getragen, wenn die Breite des Rettungswegs im Außentürbereich um 10 % vermindert wird. Eine Stausituation ist dann nicht zu befürchten, wenn im Außenbereich die Mindestrettungswegbreite wieder zur Verfügung steht.
Die speziellen Anforderungen an Sicherheitstreppenräume wurden für außenliegende Sicherheitstreppenräume in § 28a Abs. 9 S. 1 definiert. Durch die außenliegende Situation ergeben sich reduzierte Anforderungen. Für innenliegende Sicherheitstreppenräume sind dann ggf. höhere Anforderungen zu bestimmen, um ein vergleichbares Schutzniveau zu erreichen (§ 28a Abs. 9 S. 2).
VIII. Wohnungen (§ 35)
Das Schutzziel des § 35 Abs. 1 besteht in der angesichts der demographischen Entwicklung zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung erforderlichen Schaffung von barrierefreiem Wohnraum.
Zu seiner Umsetzung war die bisherige Regelung, die barrierefreie Wohnungen in Geschossen mit besonders wenigen Wohnungen oder ausschließlich im Geschoss der Penthousewohnung ermöglichte, nicht hinreichend. Es wird nunmehr eine minimale Brutto-Grundfläche der barrierefrei erreichbaren Wohnungen geregelt. Damit ist auch bereits die Möglichkeit gegeben, diese Wohnungen in verschiedenen Geschossen nachzuweisen.
Der Wegfall des bisherigen Absatzes 5 bezüglich der Erforderlichkeit eines Abstellraums ermöglicht vor allem kreative Lösungen bei der Umsetzung des Bedürfnisses, Dinge zu lagern. Er sollte nicht dahingehend missverstanden werden, dass es diese Bedarf gar nicht mehr gebe.
IX. Verfahrensfreie Vorhaben (§ 50 Abs. 2 Nr. 2)
Nutzungsänderungen zur Schaffung von Wohnraum sind im Innenbereich nunmehr verfahrensfrei möglich (§ 50 Abs. 2 Nr. 2). Nicht umfasst sind dagegen Nutzungsänderungen zur Wohnraumschaffung, die mit einer genehmigungspflichtigen Veränderung der Gebäudehülle einhergehen (bauliche Erweiterungen bspw. durch Aufstockungen oder Anbauten). In diesem Fall unterliegen die baulichen Maßnahmen insgesamt der Genehmigungspflicht.
Mit der Änderung entfällt die Beschränkung auf die Gebäudeklassen 1 bis 3. Ebenso ist nicht mehr erforderlich, dass durch die Nutzungsänderung zusätzlicher Wohnraum in bestehenden Wohngebäuden geschaffen wird. Ziel ist es, Wohnraum einfacher und unbürokratischer verfügbar zu machen. Es ist daher beispielsweise möglich, ohne Baugenehmigung bestehende Geschäfts- oder Büroflächen zu Wohnraum umzunutzen.
Unberührt bleibt der Umstand, dass die neue Nutzung den öffentlich-rechtlichen Vorschriften entsprechen muss (vgl. § 50 Abs. 5). Sowohl die bauordnungsrechtlichen als auch die bauplanungsrechtlichen Anforderungen sind weiterhin einzuhalten.
Steht die verfahrensfreie Nutzungsänderung im Widerspruch zu den bauordnungs- oder bauplanungsrechtlichen Vorschriften, kann der Bauherr das Vorhaben durch Beantragung einer Abweichung, Ausnahme oder Befreiung legalisieren (vgl. § 56 Abs. 6).
X. Vereinfachtes Baugenehmigungsverfahren (§ 52)
Mit Änderung des § 52 Abs. 1 können nunmehr alle Vorhaben bis zur Sonderbaugrenze im vereinfachten Verfahren genehmigt werden. Die Begrenzung auf Vorhaben nach § 51 Abs. 1 S. 1 entfällt. Für Wohngebäude der GK 1 bis 4 und deren Nebengebäude und Nebenanlagen ist das vereinfachte Verfahren verpflichtend, wenn nicht alternativ das Kenntnisgabeverfahren gewählt wird.
Wichtig: Die Genehmigungsfiktion greift für alle Vorhaben im vereinfachten Verfahren (s. Abschnitt XII.).
XI. Abweichungen, Ausnahmen, Befreiungen (§ 56)
Zur vereinfachten Wohnraumschaffung ist im Abweichungstatbestand des § 56 Abs. 2 Nr. 1 das Wort „zusätzlichem“ entfallen. Damit kommt es nicht mehr darauf an, dass die bauliche Maßnahme innerhalb eines Gebäudes erfolgt, in dem bereits Wohnnutzung besteht.
Mit der neuen Nr. 5 besteht ein weiterer Abweichungstatbestand. Demnach ist von den Anforderungen des § 5 eine Abweichung zu erteilen, wenn ein rechtmäßig errichtetes Gebäude an gleicher Stelle durch ein Gebäude höchstens gleicher Abmessung ersetzt wird. Sinn und Zweck dieser Vorschrift ist, die Verwendung des baulichen Bestands abstandsflächenrechtlich dadurch abzusichern, dass nicht die aktuell geltenden Abstandsflächen einzuhalten sind.
Die „Rechtmäßigkeit“ des (vorherigen) Bestandsgebäudes setzt die formelle oder materielle Bestandskraft voraus (zu den Begrifflichkeiten s. Abschnitt XVII.).
Eine „Ersetzung“ im Sinne dieser Vorschrift erfordert keine vollständige Wiedererrichtung des Gebäudes, sondern ist insbesondere auch dann anzunehmen, wenn bestehende Gebäudeteile infolge baulicher Maßnahmen ersetzt werden.
Mit dem Tatbestandsmerkmal „höchstens gleicher Abmessung“ wird sichergestellt, dass das Gebäude nach Ersetzung nicht größer in Erscheinung tritt und damit die abstandsflächenrechtlich geschützten Belange der ausreichenden Belichtung, Belüftung und Besonnung nicht stärker in Anspruch nimmt.
Die Änderung in Abs. 6 dient hinsichtlich der Normverweise der Angleichung an § 57 Abs. 2 und stellt zugleich sicher, dass für isolierte AAB-Anträge die Genehmigungsfiktion nicht greift („§ 58 Absatz 1, 2 und 3“).
XII. Baugenehmigung und Genehmigungsfiktion (§ 58)
Aufgrund der mit der Digitalisierungsnovelle 2023 eingeschränkten Angrenzerbenachrichtigung wird das Bekanntgabeerfordernis in § 58 Abs. 1 entsprechend angepasst. Die Bekanntgabepflicht gegenüber dem Antragsteller und beteiligten Angrenzern, deren Einwendungen nicht entsprochen wurde, bleibt bestehen. Sonstigen Nachbarn gegenüber „soll“ jedoch künftig die Entscheidung bekanntgegeben werden, wenn deren öffentlich-rechtlich geschützte nachbarliche Belange durch das Vorhaben berührt sein können.
Dies öffnet den Baurechtsbehörden den notwendigen Entscheidungsspielraum, über die Auswahl des für sinnvoll erachteten Adressatenkreises eigenständig zu entscheiden. Er kann damit auf sonstige Nachbar ausgedehnt werden, deren Belange abseits der in Rede stehenden AAB-Konstellationen durch das Vorhaben beeinträchtigt werden können. Dies kommt beispielsweise in Betracht, wenn das gegenständliche Vorhaben den Gebietserhaltungsanspruch oder das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot tangiert.
Die Genehmigungsfiktion dient zur effektiven Durchsetzung der Entscheidung über entscheidungsreife Bauanträge nach Ablauf von drei Monaten. Sie gilt für alle Vorhaben im vereinfachten Verfahren und für alle Antennenanlagen (ohne Höhenbegrenzung). Die Genehmigungsfiktion kommt zum Tragen, wenn nicht innerhalb der Fiktionsfrist (siehe Nr. 1) über den Bauantrag förmlich entschieden wird. Förmlich entschieden ist über den Bauantrag, wenn die baurechtliche Entscheidung dem Antragsteller bekanntgegeben wurde (vgl. § 43 Abs. 1 S. 1 LVwVfG).
Mit Ablauf der Fiktionsfrist und dem damit erfolgenden Eintritt der Genehmigungsfiktion ist das Baugenehmigungsverfahren abgeschlossen. Eine Entscheidung über den Bauantrag ist ab dem Eintritt der Genehmigungsfiktion daher unzulässig. Die Genehmigungsfiktion wird kraft Gesetzes durch Ablauf der Fiktionsfrist wirksam (zur Relevanz der Bescheinigung s. Nr. 4).
Nr. 1: Die Fiktionsfrist, also die Zeitspanne zwischen Fristbeginn und Eintritt der Fiktionswirkung, beträgt drei Monate. Sie beginnt, wenn die Unterlagen vollständig sind (vgl. § 54 Abs. 1) und sämtliche für die Entscheidung relevanten Stellungnahmen vorliegen (§ 58 Abs. 1a S. 1 Nr. 1 Hs. 1 i.V.m. § 54 Abs. 5 S. 2). Es handelt sich hierbei um eine Ereignisfrist, sodass der Zeitpunkt des Vorliegens aller Unterlagen und Stellungnahmen nicht mitberechnet wird.
Beispiel: Die Vollständigkeit der Unterlagen und das Vorliegen aller Stellungnahmen ist am 01. September 2025 gegeben. Fristbeginn ist der 02. September 2025 um 0 Uhr, Fristende der 01. Dezember 2025 um 24 Uhr [Hinweis: fällt das Fristende auf einen Samstag, Sonntag oder Feiertag, endet die Frist mit Ablauf des darauffolgenden Werktages].
Die Fiktionsfrist ist nicht verlängerbar (§ 58 Abs. 1a S. 1 Nr. 1 Hs. 2).
Nr. 2: AAB-Entscheidungen werden nur dann Teil der Genehmigungsfiktion, wenn sie ausdrücklich beantragt wurden (§ 58 Abs. 1a S. 1 Nr. 2). Dieser Umstand folgt der Regelungssystematik des § 53 Abs. 1 S. 3. AAB-Anträge sind – wie bislang – keine Voraussetzung für die Vollständigkeit der Unterlagen. Werden sie nicht beantragt und damit nicht Teil der Genehmigungsfiktion, kann das genehmigte Vorhaben nur unter Außerachtlassung der AAB realisiert werden. Sollte die AAB-Entscheidung aber für die Herstellung der materiellen Rechtmäßigkeit unverzichtbar sein, ist der Antrag auf AAB – wie bislang – nachträglich zu stellen.
Nr. 3: Es ist erforderlich, dass ein (rechtswidrig) versagtes gemeindliches Einvernehmen vor Ablauf der Entscheidungsfrist (drei Monate) ordnungsgemäß ersetzt wurde (§ 58 Abs. 1a S. 1 Nr. 3). Damit wird vermieden, dass die Genehmigungsfiktion trotz des versagten gemeindlichen Einvernehmens ergeht, ohne dass zugleich eine ordnungsgemäße Ersetzung durch die untere Baurechtsbehörde vorliegt. Andernfalls würde die betroffenen Gemeinde durch die fingierte Baugenehmigung in ihrer kommunalen Planungshoheit verletzt.
Die Baurechtsbehörde hat also zu prüfen, ob sie wegen des versagten Einvernehmens den Bauantrag ablehnt oder das Einvernehmen ersetzt. Eine ordnungsgemäße Ersetzung meint die Ersetzung nach Maßgabe des § 54 Abs. 4 i.V.m. § 36 Abs. 2 BauGB. Sie ist möglichst zügig durchzuführen, um den Eintritt der Genehmigungsfiktion nicht zu verzögern. Erfolgt die ordnungsgemäße Ersetzung des versagten gemeindlichen Einvernehmens nicht vor Ablauf der Fiktionsfrist, so wird der Eintritt der Genehmigungsfiktion bis zur Vornahme der Ersetzung gehemmt.
Nr. 4: Der Eintritt der Genehmigungsfiktion ist in Form einer Bescheinigung unverzüglich bekanntzugeben oder zuzustellen (§ 58 Abs. 1a S. 1 Nr. 4). Da die Fiktionswirkung kraft Gesetzes eintritt, ist die Bescheinigung zwar lediglich deklaratorischer Natur – sie hat aber insbesondere Drittbetroffenen gegenüber Einfluss auf den Beginn der Klagefrist (Rechtsbehelfsbelehrung!). Denn die Vorschriften über die Bestandskraft von Verwaltungsakten und über das Rechtsbehelfsverfahren finden entsprechend Anwendung (§ 42a Abs. 1 S. 2 LVwVfG).
Adressatenkreis der Bescheinigung sind der Antragsteller, beteiligte Angrenzer (soweit den Einwendungen nicht entsprochen wurde) und ggf. sonstige Nachbarn. Hierzu gelten die obigen Ausführungen zur Bekanntgabe der baurechtlichen Entscheidung (vgl. § 58 Abs. 1 S. 6 bis 9).
Die Bescheinigung hat den Inhalt der Baugenehmigung wiederzugeben und eine Rechtsbehelfsbelehrung zu enthalten. Es sind im Wesentlichen die üblichen Inhalte der Baugenehmigung wiederzugeben, mit Ausnahme der Begründung (vgl. § 58 Abs. 1a S. 3) sowie der Nebenbestimmungen und Auflagen. Kurzum soll nach dem Regelungsgedanke des § 58 Abs. 1a S. 3 auf alle Einzelheiten der Baugenehmigung verzichtet werden, die ausschließlich aufgrund der Einzelfallentscheidung Einzug in die Baugenehmigung erhalten würden. Der Tenor der Bescheinigung soll klar zu erkennen geben, dass es sich um eine mittels Genehmigungsfiktion erteilte Baugenehmigung handelt.
Verzichtet der Antragsteller vor Ablauf der dreimonatigen Fiktionsfrist auf deren Eintritt, so findet die Genehmigungsfiktion keine Anwendung. Maßgeblich ist der Zugang der elektronisch in Textform verfassten Erklärung in den Empfangsbereich der unteren Baurechtsbehörde. Im Falle des wirksamen Verzichts ist das vereinfachte Verfahren durch Entscheidung über den Bauantrag abzuschließen.
Die mittels Genehmigungsfiktion erteilte Baugenehmigung kann nach den §§ 48 f. LVwVfG zurückgenommen bzw. widerrufen werden (vgl. § 42a Abs. 1 S. 2 LVwVfG).
Die im vereinfachten Verfahren konzentrierten Gestattungen des aufgedrängten Baunebenrechts (vgl. § 52 Abs. 2 Nr. 3) werden von der Genehmigungsfiktion mitumfasst.
Mit der Ausführung des genehmigungspflichtigen Vorhabens darf mit Erteilung des Baufreigabescheins begonnen werden (§ 59 Abs. 1 S. 1). Da eine mittels Genehmigungsfiktion erteilte Baugenehmigung weder Auflagen noch Bedingungen enthält, ist der Baufreigabeschein mit Eintritt der Fiktion zu erteilen (vgl. § 59 Abs. 1 S. 3).
Die Genehmigungsfiktion führt zu keinen neuen Haftungsfragen. Antragsteller und Entwurfsverfasser haben weiterhin einen genehmigungsfähigen Antrag einzureichen und sicherzustellen, dass das Vorhaben den öffentlich-rechtlichen Vorschriften entspricht. Zudem bleibt der Grundsatz unberührt, dass die Baurechtsbehörden fristgerecht über Bauanträge zu entscheiden haben. Verzögerte Entscheidungen über Bauanträge bergen ebenfalls Haftungsrisiken, da der Antragsteller einen rechtlichen Anspruch auf fristgerechte Entscheidung über den Bauantrag hat. Darüber hinaus gilt die Genehmigungsfiktion lediglich für Vorhaben im vereinfachten Verfahren. Sicherheitsrelevante Vorschriften, wie etwa zur Standsicherheit oder zum Brandschutz, sind daher nicht Teil der fingierten Baugenehmigung.
XIII. Bauvorlageberechtigung (§§ 63 – 63d)
Aufgrund eines von der Europäischen Kommission gegen Deutschland eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahrens (VVV 2018/2291 - Bauvorlageberechtigung) wegen unzureichender Umsetzung der Richtlinie EG 2005/36 (Berufsanerkennungsrichtlinie) haben die EU-Kommission und Deutschland gemeinsam einen Kompromiss zur Beilegung des Vertragsverletzungsverfahrens hinsichtlich der Bauvorlageberechtigung der Ingenieure ausgehandelt. Dieser Kompromiss führte zu Änderungen in § 65 der Musterbauordnung (MBO) und zur Ergänzung um die §§ 65a bis 65d MBO. Diese Änderungen waren zwingend in der LBO als Mindeststandard umzusetzen, um die Beendigung des Vertragsverletzungsverfahrens sicherzustellen. Hauptkritikpunkt der Kommission war das Erfordernis der zweijährigen Berufserfahrung für die Bauvorlageberechtigung. Zudem rügte die Kommission die ex-ante Prüfung der Qualifikation bei der vorübergehenden Dienstleistungserbringung und die fehlende Wahlmöglichkeit zwischen Ausgleichsmaßnahmen im Rahmen der Berufsanerkennung. Zum Zwecke der Angleichung an die Regelungen der MBO zur Bauvorlageberechtigung wurden daher § 63 neu gefasst und die §§ 63 a bis 63 d neu aufgenommen.
- Um der Berufsanerkennungsrichtlinie zu entsprechen, musste eine Neuregelung der Bauvorlageberechtigung in folgenden Punkten erfolgen geändert werden:
- Erweiterung der Listeneintragung für Bauingenieure (§ 63a Abs. 3):
In die Liste der bauvorlageberechtigten Bauingenieure bei der Ingenieurkammer werden nun nach § 63a Abs. 3 auch Antragsteller eingetragen, die in EU-Mitgliedsstaaten und rechtlich gleichgestellten Staaten niedergelassen sind, wenn sie die Voraussetzungen der Art. 11 und 13 der Berufsanerkennungsrichtlinie erfüllen.
- Erweiterung der kleinen Bauvorlageberechtigung (§ 63 Abs. 3 Nr. 1):
Da für die große Bauvorlageberechtigung eine zweijährige praktische Tätigkeit als Eintragungsvoraussetzung zugestanden wurde (vgl. § 63a Abs. 1 Nr. 2), war nach dem Kompromiss mit der EU-Kommission im Gegenzug für einen wesentlichen Teil der Tätigkeit als Bauvorlageberechtigter eine „kleine Bauvorlageberechtigung“ für Bauingenieure ohne die Listenführung und zusätzliche Anforderungen vorzusehen. Da die Kompromisslösung einen bestimmten Umfang der kleinen Bauvorlageberechtigung hinsichtlich der Gebäude, zu deren Errichtung sie berechtigt, vorsah, musste der Umfang in § 63 Abs. 3 Nr. 1 im Vergleich zum bisherigen § 43 Abs. 4 erweitert werden. Aus Gleichbehandlungsgründen wurde diese Erweiterung in der LBO für alle Berufsgruppen der kleine Bauvorlagenbauvorlageberechtigung vorgesehen, insbesondere auch für alle Inländer.
- Ermöglichung von Ausgleichsmaßnahmen (§ 63c):
Für Personen, die keine Listeneintragung nach Art. 11 und 13 der Berufsanerkennungsrichtline erreichen können (s. § 63a Abs. 3), da ihre Berufsqualifikation nicht vergleichbar ist, musste die Möglichkeit, einen Anpassungslehrgang zu absolvieren oder einer Eignungsprüfung abzulegen, geschaffen werden. - Regelung der vorübergehenden Dienstleistungserbringung (§ 63d):
Die vorübergehende oder gelegentliche Dienstleistungserbringung von bauvorlageberechtigten Ingenieuren aus EU-Mitgliedsstaaten und rechtlich gleichgestellten Staaten musste durch ein einfaches Anzeigeverfahren ermöglicht werden.
Es wird formal folgendes dreistufiges System der Bauvorlageberechtigung vorgesehen:
- keine Bauvorlageberechtigung erforderlich, § 63 Absatz 1 Satz 2
- unbeschränkte Bauvorlageberechtigung, § 63 Absatz 2
- eingeschränkte Bauvorlageberechtigung:
- mit Einschränkungen hinsichtlich des Umfangs der Vorhaben (§ 63 Absatz 3 Nummer 1 – „kleine Bauvorlageberechtigung“) oder
- mit Einschränkungen hinsichtlich des beruflichen Rahmens der Tätigkeit (bei § 63 Absatz 3 Nummern 2 und 3).
- Hinsichtlich der großen Bauvorlageberechtigung reicht im baurechtlichen Verfahren der Nachweis der Führung in der Liste der Entwurfsverfasser bei der Ingenieurkammer oder die Mitgliedschaft in der Architektenkammer, in BW oder einem anderen Bundesland.
- Bei vorübergehender Dienstleistungserbringung von Ingenieuren aus EU-Mitgliedsstaaten und gleichgestellten Staaten reicht Nachweis der Führung im Verzeichnis bei der Ingenieurkammer oder einem anderen Bundesland nach § 63d Abs.
- Nur die Berechtigung zur kleinen Bauvorlageberechtigung nach § 63 Abs. 3 Nr. 1 ist von der unteren Baurechtsbehörde selbst zu überprüfen und ist ihr ggf. nachzuweisen. Dabei sind insbesondere von den Personen aus EU-Mitgliedstaaten und gleichgestellten Staaten bei Zweifeln auch ggf. die Voraussetzungen der Ausbildung nach Anhang 2 der LBO darzulegen und ggf. nachzuweisen.
XIV. Typengenehmigung (§ 68)
Die Regelungen zur Typengenehmigung schaffen die Grundlage für das serielle Bauen. Im Rahmen der Typengenehmigung können alle standortunabhängigen Anforderungen an die baulichen Anlagen vorweg einer baurechtlichen Prüfung unterzogen werden. Die Typengenehmigung ergänzt die weniger weitreichenden Vorschriften der Typenprüfung.
Für Fliegende Bauten wird einen Typengenehmigung nicht erteilt.
Im Rahmen einer (vom Umfang reduzierten) Typenprüfung (bautechnische Prüfung) kann festgestellt werden, dass die Nachweise der Standsicherheit, des Schallschutzes oder der Feuerwiderstandsdauer der Bauteile den öffentlich-rechtlichen Vorschriften entsprechen.
Eine Typengenehmigung kann erteilt werden für bauliche Anlagen oder Teile baulicher Anlagen, die in derselben Ausführung an mehreren Stellen errichtet werden sollen.
Eine Typengenehmigung kann auch erteilt werden für bauliche Anlagen, die in unterschiedlicher Ausführung, aber nach einem bestimmten System und aus bestimmten Bauteilen an mehreren Stellen errichtet werden sollen.
Der Antrag für eine Typengenehmigung ist bei der höhere Baurechtsbehörde zu stellen. Diese kann die bautechnische Prüfung (Standsicherheit, Schallschutz, Feuerwiderstandsdauer der Bauteile) ganz oder teilweise auf ein Prüfamt übertragen. Prüfämter sind das RP Tübingen, das Prüfamt Stuttgart und das Prüfamt für Baustatik Friedrichshafen.
Der Antrag für eine Typenprüfung ist direkt bei einem Prüfamt für Baustatik zu stellen.
Typengenehmigungen und -prüfungen gelten fünf Jahre und können auf Antrag jeweils bis zu fünf Jahren verlängert werden.
Typengenehmigungen und -prüfungen anderer Bundesländer gelten auch in Baden-Württemberg; ggf, vorhandene materielle Abweichungen aus dem Recht des anderen Bundeslandes werden dabei toleriert.
Eine Typengenehmigung bzw. -prüfung entbindet nicht von der Verpflichtung, ein bauaufsichtliches Verfahren durchzuführen. Die im Rahmen einer Typengenehmigung oder Typenprüfung entschiedenen Fragen sind von der Baurechtsbehörde jedoch nicht mehr zu prüfen.
XV. Fliegende Bauten (§ 69)
Mit einer redaktionellen Änderung in Absatz 5 erfolgt eine Klarstellung dahingehend, dass der Inhaber einer Ausführungsgenehmigung Anzeigen über Veränderungen wie Wohnsitzwechsel, bauliche Änderungen oder Übertragung an Dritte an die Behörde zu richten hat, die für die Ausführungsgenehmigung zuständig ist und das Behördenexemplar führt. Der bisherige Verweis auf die Behörde, welche die Ausführungsgenehmigung (ursprünglich) erteilt hat, ist nicht in allen Fällen sachgerecht.
Die Änderung in Absatz 6 verfolgt weiterhin das Ziel, dass im Zuge der Aufstellung genehmigungspflichtiger Fliegender Bauten das Prüfbuch bei der örtlich zuständigen Baurechtsbehörde vorgelegt werden muss und die Baurechtsbehörde dies auch bestätigt. Aus Praktikabilitätsgründen kann der Betreiber die Aufstellung des Fliegenden Baus unter Angabe der wesentlichen Daten vorab in Textform anzeigen. Sofern die Baurechtsbehörde eine Gebrauchsabnahme vorsieht, ist das Prüfbuch vom Betreiber des Fliegenden Baus hierfür vorzuhalten.
Für den bisherigen Satz 4 sind keine Anwendungsfälle bekannt; insofern wurde dieser Satz ersatzlos gestrichen
XVI. Örtliche Bauvorschriften (§ 74)
Nach der im Jahr 2023 vorgesehenen Regelung in § 74 Absatz 1 Satz 2 sind Anforderungen an die äußere Gestalt baulicher Anlagen in örtlichen Bauvorschriften „grundsätzlich nur zulässig, wenn sie gleichzeitig die Nutzung erneuerbarer Energien zulassen“. Nach der seinerzeitigen Begründung der Vorschrift im Gesetzentwurf war dies so zu verstehen, dass die Nutzung erneuerbarer Energien „grundsätzlich ohne Einschränkung zuzulassen“ ist.
Mit der jetzigen Streichung des Wortes „grundsätzlich“ aus dem Wortlaut wurde die Regelung nochmals verschärft. Gestaltungsanforderungen auf bauordnungsrechtlicher Ermächtigungsgrundlage werden damit künftig ohne Ausnahme nur noch zulässig sein, wenn sie die Nutzung erneuerbarer Energien zulassen.
Dies bedeutet, dass künftig auch Gestaltungsanforderungen zum Schutz von Kulturdenkmalen oder bestimmten Bauten, Straßen, Plätzen oder Ortsteilen von geschichtlicher oder künstlerischer Bedeutung in Altstadtsatzungen auf der Grundlage von § 74 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 nur noch zulässig sein werden, wenn sie die Nutzung von Anlagen zur photovoltaischen oder thermischen Solarnutzung zulassen.
Mit der Erweiterung werden nun insbesondere auch bei Einfriedungen vom Regelungsbereich erfasst. Damit sind auch bei Solarzäunen, Lärm- oder Sichtschutzwänden etc. Gestaltungsanforderungen nur zulässig, wenn sie die die Nutzung von erneuerbaren Energien weder verhindern noch sonst einschränken.
Soweit bestehende Satzungen noch Gestaltungsanforderungen enthalten, die § 74 Abs. 1 S. 2 widersprechen, und die Gemeinden diese Anforderungen nicht aufheben, greift § 74 Abs. 1 S. 3. Danach werden die dem Satz 2 widersprechenden Anforderungen unwirksam. Diese Unwirksamkeit tritt nach Ablauf der gesetzlich vorgesehenen sechsmonatigen Übergangsfrist zum 28. September 2025 ein.
XVII. Bestehende bauliche Anlagen (§ 76 Absatz 1)
Zweck des Bestandsschutzes ist, dass ein rechtmäßig geschaffener oder gewordener baulicher Zustand unverändert weiter Bestand haben und die entsprechende Nutzung unverändert fortgesetzt werden darf, auch wenn dieser Zustand dem inzwischen geltenden Recht widerspricht.
Mit § 76 Abs. 1 wird erstmals der formelle (S. 1) und materielle (S. 2) Bestandsschutz geregelt. Die Regelung stellt Inhalt und Reichweite des Bestandsschutzes klar. Die Möglichkeiten zur Durchbrechung des Bestandsschutzes nach Maßgabe der §§ 58 Abs. 6, 76 Abs. 2 und 3 bleiben weiterhin unberührt.
Formeller Bestandsschutz liegt vor, wenn die bauliche Anlage wie genehmigt errichtet wurde und seither dem genehmigten Zweck entsprechend genutzt wird. Vom genehmigten Zustand abweichende bauliche Veränderungen und Nutzungsänderungen (auch Nutzungsaufgaben) lassen den formellen Bestandsschutz entfallen.
Materieller Bestandsschutz liegt vor, wenn die bauliche Anlage zum Zeitpunkt ihrer Errichtung dem damals geltenden materiellen Recht entsprochen hat oder wenn die bauliche Anlage zu einem späteren Zeitpunkt hätte genehmigt werden können. In beiden Fällen darf die bauliche Anlage zwischenzeitlich nicht zu anderen Zwecken genutzt worden sein.
Ist eine bauliche Anlage formell oder materiell bestandsgeschützt, scheidet der Erlass einer Nutzungsuntersagung oder Abbruchsanordnung grundsätzlich aus. Die Baurechtsbehörde hat in Vorbereitung des bauaufsichtlichen Einschreitens zu prüfen, ob Anhaltspunkte für die Annahme des Bestandsschutzes vorliegen und damit einer Anordnung entgegenstehen (Untersuchungsgrundsatz, vgl. § 24 Abs. 1 und 2 LVwVfG). Ist dies nicht der Fall und ergeht die Anordnung, hat der Betroffene – sofern er sich auf den formellen oder materiellen Bestandsschutz beruft – die ihn begünstigenden Tatsachen vorzutragen (allgemeine Beweislastregelung). Sind diese schlüssig und lassen konkrete Anhaltspunkte für den Bestandsschutz erkennen, so hat die Baurechtsbehörde im Rahmen des Untersuchungsgrundsatzes den Sachverhalt weiter zu ermitteln. Ist nach den vorliegenden Informationen unklar, ob Bestandsschutz vorliegt, geht dies zulasten des Betroffenen, da er die Beweislast trägt.
Anhang zu § 50 Abs. 1 LBO
Die Änderungen lassen in den meisten Fällen etwas mehr bzw. größere Vorhaben verfahrensfrei zu als dies bisher der Fall war. Dabei geht der Gesetzgeber grundsätzlich davon aus, dass verfahrensfreie Vorhaben weiterhin keine bodenrechtliche Relevanz haben.
Es ist zu beachten, dass „verfahrensfrei“ selbstredend nicht „rechtsfrei“ bedeutet (vgl. § 50 Abs. 5 S. 1). Alle im Anhang zu § 50 Abs. 1 aufgeführten Vorhaben müssen allen öffentlich-rechtlichen Anforderungen entsprechen. Da es kein baurechtliches Verfahren gibt, ist für die Einhaltung aller öffentlich–rechtlichen Vorschriften ausschließlich der Bauherr verantwortlich.
Nach der bisherigen Regelung sind Gebäude, die Verkaufs- oder Ausstellungszwecken dienen, von der Verfahrensfreiheit ausgeschlossen. Mit Änderung der Regelung wird hiervon eine Ausnahme für Gebäude zum Verkauf landwirtschaftlicher Produkte gemacht, soweit diese Gebäude dem landwirtschaftlichen oder gartenbaulichen Betrieb dienen. Damit sollen der Verkauf landwirtschaftlicher Produkte unmittelbar an den Hofstellen baurechtlich begünstigt werden.
Der bisherigen Verfahrensfreiheit von Terrassenüberdachungen bis 30 m² folgt analog die Verfahrensfreiheit für Terrassen gleicher Abmessung. Dass dies nicht für Dachterrassen und/oder deren Überdachungen gilt, ist eine klarstellende Regelung.
Durch die Änderungen werden Solarenergieanlagen insgesamt verfahrensfrei gestellt, egal ob sich diese an/auf baulichen Anlagen befinden oder freistehend sind. Ein baurechtliches Verfahren ist für diese Vorhaben nicht mehr möglich.
Diese neuen Anlagentypen sollen – wie auch andere Energieerzeugungsanlagen – möglichst weitgehend verfahrensfrei gestellt werden.
Die allgemeinere Formulierung („Elektromobilität“ statt „Elektrofahrzeuge“) eröffnet einige Spielräume, die der Gesetzgeber genutzt sehen möchte. Technische Nebenanlagen sind solche, die einen technisch-funktionalen Bezug zur Hauptanlage (Ladestation) aufweisen und für deren Betrieb erforderlich sind (bspw. Trafo-Stationen).
XIX. Hinweis zur Abschaffung des Widerspruchsverfahrens
Nach Artikel 3 des Gesetzes für das schnellere Bauen wird das Vorverfahren in Angelegenheiten nach der Landesbauordnung und nach dem Denkmalschutzgesetz zum 01. Juni 2025 abgeschafft.
Unter Bezugnahme auf den Vorschlag des Städtetag Baden-Württemberg empfiehlt sich für die Rechtsbehelfsbelehrung der betroffenen Ausgangsbescheide beispielhaft folgender Passus:
„Bei Bekanntgabe bis zum 31.05.2025 kann gegen diesen Bescheid Widerspruch bei der [zuständige Baurechtsbehörde] erhoben werden. Bei Bekanntgabe ab dem 01.06.2025 kann gegen diesen Bescheid Klage vor dem Verwaltungsgericht (…) erhoben werden.“